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Pressemitteilung: Überlebende und Hinterbliebene rechter Todesfälle werden bei der Bewältigung der Tatfolgen alleine gelassen

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Pressemitteilung der Opferberatung Rheinland und BackUp zum Abschluss des Projektes "ToreG NRW" durch das LKA NRW

Überlebende und Hinterbliebene rechter Todesfälle werden bei der Bewältigung der Tatfolgen alleine gelassen – das Projekt „ToreG NRW“

Kurz nach zwei Uhr morgens am 26. Januar 1994 legten bis heute unbekannte Täter*innen mindestens drei Feuer vor der Tür einer Notunterkunft in Köln, in der unter anderem serbische Roma-Kriegsflüchtlinge untergebracht waren. Acht Menschen werden bei dem Brandanschlag teils lebensgefährlich verletzt, die 12-jährige Jasminka sowie ihre 61-jährige Großtante Raina erliegen wenige Wochen später ihren schweren Verletzungen.

Trotz deutlicher Indizien auf ein möglicherweise rassistisches und antiziganistisches Tatmotiv schließt die Polizei bereits einen Tag nach dem Anschlag ein „fremdenfeindliches“ Motiv aus. Ermittelt wird lediglich wegen schwerer Brandstiftung und nicht wegen Mordes oder Totschlags.

Am 26. Januar 2024 jährt sich der Brandanschlag nun zum dreißigsten Mal. Bis heute kämpfen die Überlebenden des Anschlags um Anerkennung und Wiedergutmachung, bis heute sind die Verstorbenen nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.

„Der Brandanschlag von damals darf nicht in Vergessenheit geraten. Auch als Mahnung, da solche rassistischen Taten auch heute passieren“, sagt ein Überlebender des Brandanschlages rückblickend. Weiter beschreibt er die damaligen Ereignisse als „die bis heute größte Katastrophe meines Lebens“.

Nach nunmehr knapp 30 Jahren kämpfen die Betroffenen und Überlebenden des Brandanschlages weiter und hoffen auf die Möglichkeit, dass ihr Fall rückwirkend dennoch als rechtsmotivierter Brandanschlag bewertet wird. Sicher können sie sich dessen jedoch nicht sein:

Im Juni 2022 wurde das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen durch das Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen beauftragt, im Rahmen des Projektes „ToreG NRW“ (Todesopfer rechter Gewalt NRW) eine längst überfällige Überprüfung von 30 Verdachtsfällen rechter Tötungsdelikte aus den vergangenen 40 Jahren durchzuführen, bei der die derzeit geltenden Definitionskriterien politisch motivierter Kriminalität rückwirkend angewandt werden sollen.

Aus Sicht der spezialisierten Opferberatungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ist diese längst überfällige Neubewertung von Verdachtsfällen rechter Tötungsdelikte ausdrücklich zu begrüßen.

Durch im Oktober 2023 beantwortete parlamentarische Anfragen wurden nun – kurz vor Abschluss der Projektlaufzeit Ende November 2023 – weitere Details zum Erhebungs- und Bewertungsverfahren des Projektes veröffentlicht.

Die Antworten des Innenministeriums auf die parlamentarischen Anfragen der SPD-Abgeordneten Christina Kampmann und Sven Wolf zeigen jedoch, dass die derzeitige Projektdurchführung keinesfalls an Sensibilität gegenüber den Überlebenden, Angehörigen und Freund*innen der Getöteten orientiert ist und deren Perspektiven und Erfahrungen bei der Neubewertung der Fälle explizit unberücksichtigt bleiben. Damit missachtet das LKA die derzeit geltenden Kriterien für die Bewertung politisch motivierter Kriminalität, nach denen seit einer grundlegenden Reform der bundeseinheitlichen polizeilichen Erfassungskriterien im Jahr 2001 „bei der Würdigung der Umstände der Tat neben anderen Aspekten auch die Sicht der/des Betroffenen mit einzubeziehen [ist]“. Die Aussage des Innenministeriums, der Projektansatz umfasse „eine retrograde Betrachtung und Bewertung der jeweiligen Fälle anhand der heute gültigen Maßstäbe“ steht damit im offenen Widerspruch zur bundesweit gültigen Definition der politisch motivierten Kriminalität.  

„Vor dem Hintergrund erheblicher behördlicher Erfassungs- und Wahrnehmungsprobleme rechter Tatmotivationen vor und nach dem Jahr 2001 müssen die Perspektiven von Betroffenen, Überlebenden und Angehörigen ein handlungsleitendes Kriterium für die Neubewertung von Fällen sein. Die Tradition der strukturellen Unsichtbarmachung von Erfahrungen Betroffener rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt wird durch deren Nichteinbeziehung im Projekt ToreG NRW fortgeführt“. (Thomas Billstein, BackUp)

Die spezialisierten Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in NRW haben nicht zuletzt seit dem Bekanntwerden des Projektes „ToreG NRW“ im Juni 2022 die Einbeziehung von Betroffenenperspektiven in die Neubewertung von Fällen gefordert, ebenso wie die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher und unabhängiger wissenschaftlicher Akteure. Es ist zudem zwingend notwendig, dass Angehörige und Überlebende über den Ausgang einer etwaigen Prüfung ihres Falles informiert werden, um bei Bedarf professionelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen und um rechtliche Ansprüche geltend machen zu können.  

Nachdem mittlerweile durch Medienberichte bereits mindestens drei Fälle öffentlich gemacht wurden, die Gegenstand einer Neubewertung durch das Projekt „ToreG NRW“ sind, ergibt sich laut Innenministerium dennoch „keine Benachrichtigungspflicht hinsichtlich der Hinterbliebenen bzw. Überlebenden“.

„Innenministerium und LKA müssen gewährleisten, dass Betroffene, Überlebende und Angehörige in einem sensiblen und professionell gestalteten Rahmen über Neubewertungen informiert werden und die ihnen zustehenden Entschädigungsleistungen beantragen können. Eine verantwortungsvolle Aufarbeitung rechter Gewalt darf nicht auf der symbolischen Ebene verbleiben, sondern muss die Lebensrealitäten und Perspektiven der Betroffenen und Überlebenden als Ausgangspunkt haben. Dies ist durch das Projekt „ToreG NRW“ nicht geschehen. Überlebende und Hinterbliebene rechter, rassistischer und antisemitischer Todesfälle werden somit auch weiterhin mit der Bewältigung der Tatfolgen alleine gelassen“. (Fabian Reeker, Projektleitung der Opferberatung Rheinland)

 

Ansprechpartner für Presseanfragen:

                                                                                               

Fabian Reeker (Projektleitung)                                                                        

Mobil: 0177/8443572                                                                                         

info@opferberatung-rheinland.de                                                        

www.opferberatung-rheinland.de          

 

Thomas Billstein   

Mobil: 017655256590         

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